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Selbstwirksamkeit

Selbstwirksamkeit

Was ist Selbstwirksamkeit und wie kann sie mir bei einer chronischen Erkrankung helfen?

Woher kommt der Begriff Selbstwirksamkeit?

“Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied” - an dieser Redensart ist etwas dran! Denn oft spielt unsere persönliche Überzeugung eine entscheidende Rolle in Situationen, in denen wir Glück oder Pech empfinden, Erfolg oder Misserfolg erleben. Die Frage ist: Fühlen wir uns der Situation ausgeliefert? Oder sind wir der Überzeugung, Einfluss darauf nehmen zu können? An dieser Stelle kommt das psychologische Konzept der Selbstwirksamkeit bzw. Selbstwirksamkeitserwartung ins Spiel. Der Begriff “Selbstwirksamkeit” stammt aus der Psychologie und wurde 1970 von dem Psychologen Albert Bandura geprägt.

Was genau bedeutet nun Selbstwirksamkeit bzw. Selbstwirksamkeitserwartung?

Was ist Selbstwirksamkeit überhaupt?

Der von Albert Bandura geprägte Begriff der “Selbstwirksamkeit” bedeutet, dass du an deine Fähigkeit und Kontrolle glaubst, Dinge mit Erfolg zu tun und Herausforderungen zu bewältigen. Es beschreibt das Vertrauen in deine Fähigkeit, Aufgaben zu erledigen und Ziele zu erreichen. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung zeichnet sich also dadurch aus, dass du überzeugt bist, Schwierigkeiten zu überwinden und erfolgreich zu sein. Die Gedanken einer sehr selbstwirksamen Person könnten beispielsweise sein:

“Auch wenn es schwierig ist, bin ich in der Lage, Lösungen zu finden und mich Herausforderungen erfolgreich zu stellen.”

“Ich glaube daran, dass ich in der Lage bin, mir Ziele zu setzen und sie Schritt für Schritt zu erreichen.”

“Selbst wenn etwas nicht beim ersten Mal klappt, kann ich lernen und meine Fähigkeiten verbessern, um erfolgreich zu sein.”

Drei beispielhafte Ausasgen einer selbstwirksamen Person

Zusammengefasst bedeutet Selbstwirksamkeit, die innere Überzeugung zu haben, schwierige oder herausfordernde Situationen gut meistern zu können – und das aus eigener Kraft.

Zur Verdeutlichung haben wir hierzu eine kleine Metapher für dich:

Stell dir Selbstwirksamkeit wie ein starkes Ruder in einem Boot vor, das es dir ermöglicht, dein eigenes Leben in die gewünschte Richtung zu lenken. Mit diesem Ruder kannst du die Strömungen und Hindernisse des Lebens überwinden und deinen eigenen Kurs bestimmen, anstatt dich einfach treiben zu lassen.

Du wirst staunen, auf was Selbstwirksamkeit alles Einfluss nimmt.

Warum ist Selbstwirksamkeit wichtig?

Selbstwirksamkeit hat einen Einfluss auf dein Verhalten, deine Motivation und dein Wohlbefinden und ist einer der bedeutendsten Resilienz-Faktoren. Daher ist es sinnvoll seine Selbstwirksamkeit zu stärken.

Das bedeutet, dass dich eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung stark und widerstandsfähig macht, wenn du schwierige Situationen oder Herausforderungen bewältigen musst. Der Faktor “Selbstwirksamkeit” hilft dir also, dass du dich schneller erholst und besser mit Stress oder Problemen umgehen kannst. Studien zeigen, dass Selbstwirksamkeit auch bei chronischen Krankheiten und kritischen Lebensereignissen einen unterstützenden und stabilisierenden Effekt hat. Personen mit einer hohen Selbstwirksamkeitserwartung suchen auch in schwierigen Zeiten und bei Misserfolgen aktiv nach Lösungen. Sie können ihr Verhalten schneller anpassen, kümmern sich gut um sich selbst, haben eine gute Kontrolle über ihre Gefühle und neigen weniger zu Depressionen. Menschen, die von ihrer Selbstwirksamkeit überzeugt sind, übernehmen Verantwortung für sich und ihr Handeln. Sie unterscheiden, wo sie Einfluss nehmen können und wo nicht, und behalten damit die Kontrolle.

Die Ausprägung deiner Selbstwirksamkeit hat somit eine weitreichende Auswirkung auf dein Verhalten und deine (psychische) Gesundheit.

Aber wie wirst du nun selbstwirksamer?

Wie werde ich selbstwirksamer?

Selbstwirksamer wirst du nicht von Heut´ auf Morgen. Das Gute ist, du kannst tatsächlich einiges tun, um deine Selbstwirksamkeit zu stärken. Dazu möchten wir dir die “Vier Quellen der Selbstwirksamkeit” von Albert Bandura näherbringen. Auf der Abbildung siehst du, dass diese vier Quellen nach Bandura, “Eigene Erfahrungen”, “Beobachtung anderer”, “Verbale Verstärkung durch andere” und die “Interpretation körperlicher und emotionaler Empfindungen” einen Einfluss auf deine Selbstwirksamkeitserwartung haben.

Darstellung der vier Quellen der Selbstwirksamkeit

Wenn du dir die Graphik genauer anschaust, wird dir auffallen, dass die Pfeile unterschiedlich groß sind, da Bandura’s Theorie den vier Quellen einen unterschiedlich starken Einfluss auf deine Selbstwirksamkeit zuschreibt. Das bedeutet, dass eigene Erfahrungen, die du machst, deine Selbstwirksamkeit mehr stärken als beispielsweise die verbale Verstärkung. Wir möchten dir die vier Quellen näher erklären:

Eigene Erfahrung

Eigene, erfolgreich bewältigte Herausforderungen sind das stärkste Mittel, um den Glauben an eine hohe Selbstwirksamkeit aufzubauen. Wichtig ist hier, dass der Erfolg mit deinen Anstrengungen und Fähigkeiten in Verbindung gebracht wird. Das heißt, ein zufälliger Lottogewinn wird deine Selbstwirksamkeit nicht steigern.

Schwächen demnach Misserfolge die Selbstwirksamkeit? Ja.

Wenn du allerdings eine soliden Glauben an deine Selbstwirksamkeit aufgebaut hast, können dir auch einzelne Misserfolge nur noch wenig anhaben. Es lohnt sich also, an deiner Selbstwirksamkeitserwartung zu arbeiten. Erfolgserlebnisse erfährst du durch Setzen von realistischen und attraktiven Zielen. Schau dir gerne dazu die SMART-Methode an. Sie unterstützt dich bei der Zielsetzung.

Beispiel:  Angenommen du leidest unter Fatigue. Du könntest deine Selbstwirksamkeit steigern, indem du positive Erfahrungen macht. Zum Beispiel setzt du dir kleine, realistische Ziele, um deine Energie besser zu managen. Wenn du diese Ziele erfolgreich erreichst, wirst du darin bestätigt, dass du deine Erschöpfung kontrollieren kannst. Das könnten Dinge sein wie regelmäßige Pausen während des Tages einplanen oder einen kürzeren Spaziergang machen, ohne sich danach zu überanstrengen.

Folgende Fragen kannst du dir stellen, wenn du gerade an deiner Selbstwirksamkeit zweifelst:

  • Welche Herausforderungen habe ich bereits gemeistert?
  • Worauf bin ich stolz?
Beobachtung

Hier stärkst du deine Selbstwirksamkeit, indem du dir das Verhalten einer erfolgreichen Person abschaust. Erlebst du also, wie diese Person mit ihren Fähigkeiten eine bestimmte Aufgabe meistert, traust du dir diese auch eher zu. Dabei gilt: Je größer die Ähnlichkeit zu deiner beobachteten Person, desto stärker fällt die Beeinflussung durch das Vorbild aus. Auch die Sympathie zu dieser Person spielt eine Rolle. Angenommen du bist weiblich und 36 Jahre alt. Du schaust dir zwei Interviews an, in denen ein:e Betroffene:r über den erfolgreichen Umgang mit Fatigue berichtet. Dabei wird die sympathische Tina, weiblich, 37 Jahre deine Selbstwirksamkeit mehr stärken als der unfreundliche Max, männlich, 52 Jahre. Als Vorbilder dienen hier nicht nur Personen aus deinem nahen persönlichen Umfeld, sondern auch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens oder auch fiktive Figuren.

Beispiel: Bleiben wir bei unserem Fatigue-Beispiel. Du könntest von Unterstützungsgruppen oder Erfahrungsberichten anderer Betroffener profitieren. Indem du hörst oder liest, wie andere Menschen erfolgreich mit Fatigue umgehen, kannst du daraus lernen, dass du nicht alleine bist und dass es Möglichkeiten gibt, mit den Herausforderungen umzugehen.

  • Hast du vielleicht ein positives und selbstwirksames Vorbild, das ebenso mit Fatigue umgehen muss?
  • Was macht die Person, was du dich nicht traust?
  • Wie geht sie mit schwierigen Situationen um?
  • Woran glaubt sie und wovon ist sie überzeugt?
Verbale Verstärkung

Mit verbaler Verstärkung sind Sätze wie „Du kannst das!“ oder “Ich glaube an dich!” gemeint, die dir eine andere Person sagt. Das kann ebenfalls zur Steigerung deiner Selbstwirksamkeit beitragen. Dabei erzielt es die größte Wirkung, wenn du die/den Unterstützende:n als besonders glaub- und vertrauenswürdig wahrnimmst und über Expert:Innenwissen verfügt. Verbale Verstärkung ist besonders in Kombination mit eigenen Erfolgserfahrungen wirksam.

Beispiel: Du könntest durch ein:e Ärzt:in, ein:e Freund:in oder ein Familienmitglied positive oder ermutigende Rückmeldungen erhalten. Wenn dir gesagt wird, dass du die Fähigkeit hast, deine Fatigue erfolgreich zu managen, wird das deine Selbstwirksamkeit stärken.

Oft ist es so, dass wir liebevolle Worte für gute Freund:innen übrighaben, uns selbst gegenüber jedoch recht kritisch sind. Stelle dir vor, du begegnest dir selbst als beste:r Freund:in.

  • Welche aufbauenden Worte würdest du dir wohl selbst mitteilen?
Körperliche & emotionale Empfindungen

Anforderungen ausgesetzt zu sein und diese bewältigen zu müssen, gehört zu unserem Alltag. Mit Fatigue gehen einige unliebsame körperliche und emotionale Empfindungen einher. Beispielsweise anhaltende Müdigkeit, Schlafprobleme, kognitive Beeinträchtigungen, aber auch Depressionen und Angst. Diese Anzeichen lassen sich leicht als Schwäche interpretieren. Selbstzweifel kommen auf und haben einen Einfluss auf deine Selbstwirksamkeit. Zum Beispiel, indem du dich diesen Anforderungen ausgeliefert fühlst und sie als nicht bewältigbar interpretierst. Wenn du die körperlichen Reaktionen zu deuten weißt, kannst du durch entsprechende Übungen eine andere Interpretation dieser körperlichen Wahrnehmungen erlernen.

Beispiel: Hier könntest du deine Energie und Stimmung in einem Tagebuch, z. B. dem Logbuch unserer Fimo-App, notieren und verfolgen. Wenn du deine Symptome und Emotionen besser verstehst und erkennst, kannst du Strategien entwickeln, um deine körperliche und emotionale Gesundheit zu verbessern. Oft sind es auch destruktive, immer wiederkehrende Gedanken, wie “Heute bekomme ich durch meine Müdigkeit wieder Nichts erledigt” die deine Symptome verschlechtern. Hier kann ein Uminterpretieren deiner Gedanken helfen. Ein wohlwollender Gedanke ist: “Meine Fatigue schützt meinen Körper vor übermäßiger körperlicher oder geistiger Anstrengung, sodass mein Körper nicht übermäßig beansprucht wird. Mein Körper macht das, um mich zu schützen”. Es geht dabei nicht darum, die Symptome schön zu reden, sondern einen anderen Umgang damit zu finden, der nicht zur Verschlimmerung deiner Symptomatik beiträgt, denn Körper und Seele beeinflussen sich gegenseitig.

  • Welche destruktiven Gedanken bezüglich deiner Erkrankung kennst du?
  • Hast du eine Idee, wie du diese wohlwollender interpretieren könntest?
Okay, was kannst du zusammenfassend mitnehmen?

Die Stärkung deiner Selbstwirksamkeitserwartung sorgt also dafür, dass du zunehmend eine innere Überzeugung entwickelst, schwierige oder herausfordernde Situationen aus eigener Kraft bewältigen zu können. Eine ausgeprägte Selbstwirksamkeit ist so wichtig, weil sie in vielen bedeutenden Bereichen deines Lebens eine große Rolle spielt, unter anderem für deine Gesundheit. Deine Selbstwirksamkeit steigerst du am ehesten, indem du ab und zu deine Komfortzone verlässt und dich neuen realistischen Herausforderungen stellst. Wenn dich bei deinem Vorhaben noch jemand nettes mit motivierenden Worten unterstützt, umso besser. Vielleicht konnten wir dich auch motivieren, dich auf die Suche nach Gleichgesinnten zu begeben. Denn auch ein Austausch kann deine Selbstwirksamkeit stärken. Nicht zuletzt ist es sinnvoll, wenn du dich mit deinen körperlichen und emotionalen Empfindungen auseinandersetzt, um dich besser zu verstehen.

Die Steigerung deiner Selbstwirksamkeit ist ein Prozess. Vergiss nicht Spaß dabei zu haben und auch die kleinsten Erfolge zu feiern! No healing without feeling.

Quellen

Bach, A. (2022). Selbstwirksamkeit im Lehrberuf: Entstehung und Veränderung sowie Effekte auf Gesundheit und Unterricht. (D. Rost, Ed.) (Vol. 101). Münster, New York: Waxmann Verlag.

Egger, J. W. (2015). Selbstwirksamkeit. In Integrative Verhaltenstherapie und psychotherapeutische Medizin: Ein biopsychosoziales Modell (pp. 283–311). Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

Jerusalem, M. (2002). Selbstwirksamkeit und Motivationsprozesse in Bildungsinstitutionen. (Matthias Jerusalem, Ed.). Weinheim, Basel: Beltz.

Kriegler-Kastelic, G. (2018). Selbstwirksamkeitserwartung. Retrieved October 4, 2023