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Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie

Von Kribbeln in Händen und Füßen bis hin zu Schmerzen und Gangstörungen. Die Polyneuropathie bringt ein breites Spektrum an Beschwerden mit sich.
Doch was genau bedeutet “Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie” (CIPN)?

Grundsätzlich versteht man unter Polyneuropathie eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen das periphere Nervensystem nicht richtig funktioniert. Es sind also Teile des Nervensystems außerhalb des Gehirns und der Wirbelsäule liegen. Die Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie beschränkt Symptomatiken auf solche, die durch eine Chemotherapie ausgelöst (induziert) werden.

Je nachdem welche Substanz bei der Chemotherapie eingesetzt wird, variiert das Auftreten von Symptomen der CIPN zwischen 19-95% während bzw. unmittelbar nach der Behandlung. Etwa ein Drittel der Patienten beschreiben auch sechs Monate nach Abschluss der Chemotherapie Symptome einer chronischen CIPN.

Was sind die Symptome der CIPN?

Symptome der Chemotherapie-induzierten Polyneuropathie zeigen sich in der Regel symmetrisch, sowohl links, als auch rechts an Händen und Füßen. Unterschieden werden sensorische und motorische Symptome.

Sensorische Symptome

Besonders die sensorischen Symptome sind sehr vielseitig. Patient:innen beschreiben häufig

  • Überempfindlichkeit
  • Missempfindungen wie Kribbeln oder "Ameisenlaufen"
  • Schmerzen
  • Taubheit
  • Störungen der Temperatur- und Vibrationswahrnehmung

in den Händen und Füßen.

Diese Beschwerden sind zwar nicht lebensbedrohlich, jedoch werden sie als unangenehm und störend empfunden. Manche sensorische Störungen bergen jedoch Gefahren: Durch Taubheitsgefühle können feinmotorische Probleme im Alltag auftreten. So kann es zu Schwierigkeiten beim Schreiben bis hin zu Gleichgewichtsstörungen und Stürzen kommen. Außerdem bleiben durch das Taubheitsgefühl oberflächliche Verletzungen oft unbemerkt wodurch das Risiko einer Wundinfektion erhöht ist.

Motorische Symptome

Motorische Symptome treten deutlich seltener auf. Sie äußern sich durch abgeschwächte Muskelreflexe, eine verminderte Muskelkraft mit möglicher Einschränkung in der Geh- und Stehfähigkeit, unwillkürliche Muskelzuckungen und Muskelkrämpfe.
Auch können Sehstörungen oder Hör- und Gleichgewichtsstörungen durch Funktionseinschränkungen der Hirnnerven auftreten

Risikofaktoren von Chemotherapie-induzierter Polyneuropathie

Die Wahrscheinlichkeit, von Symptome der CIPN zu erleiden wurde vermehrt bei Patienten beobachtet die Platin-Derivate, Taxane, Vinca-Alkaloide, Eribulin, Bortezomib oder Thalidomid als Chemotherapeutikum erhielten.
Darüberhinaus wird CIPN auch bei folgenden Faktoren begünstigt: 

  • Diabetes mellitus
  • Niereninsuffizienz
  • HIV-Infektion
  • Schilddrüsenunterfunktion
  • genetische Faktoren (CMT-Genmutation)
  • spezifische rheumatische- und Autoimmunerkrankungen (Kollagenosen/Vaskulitiden)
  • hoher Alkohlkonsum
  • Vitaminmangel
  • älter als 75 Jahre

Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie: Prävention und Behandlungsoptionen

Wird eine Chemotherapie notwendig, können präventive, also vorbeugende Maßnahmen dazu beitragen, Begleiterscheinungen wie eine Polyneuropathie zu reduzieren.

Derzeit wird beispielsweise empfohlen mit Beginn der Therapie regelmäßiges Funktionstraining durchzuführen. Funktionstraining umfasst verschiedene körperliche Aktivitäten wie Ausdauer-, Kraftsport, Gleichgewichtstraining und Yoga. Eine medikamentöse Prophylaxe wird derzeit nicht empfohlen.

Achte insbesondere während der Therapie auf deinen Körper. Treten erste Symptome auf, besprich diese mit deinem Behandelnden. Je nach Symptom, ihren Auftreten, Häufigkeit und Schwere, kann eine Neubewertung der Chemotherapie angebracht sein: Behandelnde wägen üblicherweise den Nutzen und das Risiko bestimmter Therapiearten ab, überprüfen die Dosierung, und Frequenz der Chemotherapie. Auch andere Therapiemaßnahmen, also ein Wechsel der Therapie auf ein anderes Medikament, können in Betracht gezogen werden.

Zur medikamentösen Therapie der Chemotherapie-induzierten Polyneuropathie ist derzeit noch kein Medikament zugelassen. Expert:innen sprechen in den Leitlinien jedoch eine mäßige Empfehlung für das Medikament Duloxetin aus, welches die Schmerzen lindern kann. Darüber hinaus können Antidepressiva und Antikonvolusiva bzw. Antiepileptika (z.B. Amitriptylin, Venlafaxin, Gabapentin, Pregabalin) erwogen werden. Antiepileptika wirken u.a. gegen Muskelkrämpfe. Außerdem können Opioide und auch spezifische Pflaster und Salben gegen die Schmerzen in Betracht gezogen werden.

Zur Behandlung einer Chemotherapie-induzierten Polyneuropathie wird - ähnlich der Prävention - Sport- und Physiotherapie empfohlen. Auch Ergo- und Elektrotherapie können Symptome reduzieren. Maßnahmen zielen häufig auf folgende Bereiche ab:

  • sensomotorisches Training
  • Koordinationstraing
  • Vibrationstraining
  • Feinmotoriktraining
  • Ausdauertraining
  • Geh- und Stehtraining
  • Tai Chi

Diese Therapien können die Geschicklichkeit, das Gleichgewicht und die Beweglichkeit fördern. Das Sturzrisiko wird gesenkt. Auch weitere Begleiterscheinungen wie Fverringert.

Des Weiteren können kleine Anpassung im Alltag Erleichterung verschaffen. Festes Schuhwerk oder eine Gehhilfe können einen guten Stand ermöglichen. Eine bewusste Hand- und Fußpflege schützt darüber hinaus vor Verletzungen und Infektionen.

Zusammenfassung

Die Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie ist eine Erkrankung geprägt von Missempfindungen, Schmerzen und funktionalen Beschwerden im alltäglichen Leben. Sie wird ausgelöst durch die nervenschädigenden Nebenwirkungen der Tumortherapie und kann sich zeitlich über die Therapiedauer hinaus erstrecken, ist aber in der Regel rückläufig. Therapeutisch besteht die Möglichkeit medikamentös Schmerzen und Krämpfe zu lindern. Eine Besserung der Funktion wird erreicht durch Ergo- und Elektrotherapie, aber auch eine angeleitete Bewegungstherapie, welche schon vor Symptombeginn mit dem Start der Krebstherapie empfohlen wird. Diese multimodale Therapie kann die Lebensqualität für den Zeitraum der Erkrankung verbessern.